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(M)eine Geschichte 2

…aus erster Hand

 

Meine Alkoholbiographie ist ziemlich lang.

Als ich 10 Jahre alt war, wollte ich zum ersten Mal probieren wie Alkohol schmeckt.

Mit 15, haben wir schon regelmäßig Alkohol in der Schule konsumiert. Die folgende Ausbildung an einer Fachhochschule und mein späterer Beruf als Polier, waren keine Hindernisse für meinen Alkoholmissbrauch. Nur dank meiner körperlichen Stärke, habe ich überlebt und mich damals nicht ins Koma getrunken. Die Verantwortung auf der Arbeit und die meiner Familie, haben mich ab und zu gebremst, jedoch nicht von meiner Sucht abgehalten. So spielte sich mein Leben in Russland ab.

 

Als ich nach Deutschland kam, hatte sich alles dramatisch verändert. Ich konnte zu Beginn nicht arbeiten und habe mich überflüssig gefühlt. Plötzlich hatte ich viel zu viel Freizeit und wusste nicht, was mit ihr anzufangen. Wir haben uns mit anderen Landsleuten im Hof getroffen und geredet, dabei hat der Alkohol eine immer wichtigere Rolle gespielt. Letztendlich wurde der Alkoholkonsum zu meiner Hauptbeschäftigung des Tages. Alkohol war mein ständiger Begleiter.    

Einmal bemerkte ich selbst nicht, dass ich sogar mehrere Tage lang betrunken war. Ich wurde einfach nicht mehr nüchtern, denn ich habe keine Pause gemacht und immer weiter getrunken. Später erfuhr ich, dass ich wirklich jede Gelegenheit genutzt habe zu trinken, mich wie ein Idiot benommen habe und manchmal sogar auf dem Boden geschlafen habe. Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Nachdem mir meine Taten bewusst geworden waren, habe ich mich selbst vor mir geekelt und mich geschämt. Mir war bewusst, dass ich in ein tiefes Loch gefallen war. Dieses Bewusstsein führte mich zu dem Entschluss, endlich ein Schlussstrich zu ziehen. Aber wie? Ich ging raus, doch meine Füße führten mich zu den Stellen, wo getrunken wurde und jedes Mal, wenn ich schwor aufzuhören, tat ich es wieder.

 

Eines Tages befand ich mich am Abgrund, der mir aufgrund einer Alkoholvergiftung fast das Leben kostete. Ein großes Dankeschön geht an meinen Nachbarn, der für mich den Rettungswagen anrief, welcher mich schließlich mit 3,9 Promille ins Krankenhaus brachte.

Am darauf folgenden Tag, besuchte mich ein Pastor und bot mir an, eine Therapie zu machen. Dieser stimmte ich zu, denn es war der erste Schritt in Richtung Freiheit. 

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon 40 Jahre Suchterkrankung hinter mir und keine Aussichten für die Zukunft. Ich wusste nicht ob ich es schaffe dem Alkohol im Alltag zu wiederstehen. Was würde auf Feier oder Geburtstagen geschehen? 

 

Nach der Therapie bin ich wieder arbeiten gegangen

 

Manchmal war es besonders schwer, das Angebot meiner Kollegen, mit ihnen zu trinken abzulehnen. Zwei Jahre später dachte ich, es wäre alles überwunden, doch dann trat die Krise ein. Ich verspürte ein sehr starkes Verlangen nach Alkohol. Jedoch habe ich mir Hilfe gesucht und fand diese in einer Selbsthilfegruppe. Später haben wir eine russischsprachige Gruppe gegründet und ich bin dem Dorkas-Gruppen e.V. beigetreten.   

Seitdem hat mein Leben sich total geändert und macht für mich endlich wieder einen Sinn. Ich habe eine Familie und ein neues Hobby – Angeln.

Mittlerweile sind 15 Jahre vergangen.  

Heute weiß ich genau, aufhören zu saufen, ist nur der erste Schritt. „Trocken“ zu bleiben, das ist meine Aufgabe, die ich schaffen werde. 

Mir ist es klar geworden, dass Alkoholismus eine chronische Erkrankung und keine Charakterschwäche ist. Und nur so sollte man damit umgehen. 

 

Dorkas Viktor N.

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